Wenn es mal nicht so gut passt - Meine neue Zimmernachbarin.

Meine neue Zimmernachbarin (Ü70) kommt mit ihrer aktuellen Situation und der Diagnose noch nicht wirklich klar – irgendwie auch total verständlich! Sie kam letzte Woche ins Krankenhaus, auch erst Verdacht AML, dann wurde wohl auch gleich mit Chemotherapie gestartet – bei AML hat man keine Zeit zu verlieren. Im Laufe der Genetikuntersuchungen kam wohl raus, dass sie eine Unterform der AML hat, die APL (akute Promyelozyten-Leukämie)! Prinzipiell eigentlich erstmal gute Neuigkeiten – die Prognosen bei einer APL sind nämlich ziemlich gut! Das ist bei ihr aber glaube ich (Nachtrag: Immer!) noch nicht angekommen – für sie war es jetzt eher so: „Jetzt habe ich erstmal die falsche Chemotherapie bekommen, und davon fallen mir jetzt auch noch die Haare aus! Und jetzt wieder irgendwas Neues! Ob das dann überhaupt was bringt“. Die Therapie ist somit nämlich eine andere als bei der klassischen AML. Tragischerweise wurde erst 2019 Brustkrebs bei ihr diagnostiziert, der gerade überstanden war…

Prinzipiell ist sie schon nett, aber man merkt, dass Sie gerade sehr mit dieser Diagnose hadert – Frieden hat sie definitiv noch nicht mit gefunden. Und wenn man dann auch nicht vom Fach ist, also nicht versteht, was genau da gerade mit einem passiert und wieso – das macht es sicher nicht einfacher, da bin ich klar im Vorteil (wobei zu viel Wissen manchmal auch beängstigend sein kann…)
Mittlerweile glaube ich aber auch, dass sie schon vor der Diagnose ein Typ war, der eher negativ eingestellt war – der Hälfte der Anrufer, die Sie bekommt unterstellt sie hinterher, dass die nur wegen Tratsch anrufen, wenn ihre Familie daheim wohl was Gemeinsames plant, motzt sie, sie sollen es lassen und blos vorsichtig sein – aber ich glaub insgeheim ist sie neidisch, dass sie nicht dabei sein kann… Und generell ist es glaube ich schwierig für sie zu akzeptieren, dass das Leben in ihrer Familie gerade auch ohne sie funktioniert. Ihr Mann ist wirklich liebevoll zu ihr, wenn er da ist, streichelt er sie die ganze Zeit beruhigend und versichert ihr, dass sie auch ohne Haare schön sein wird – sie sind seit über 50 Jahren verheiratet! 8 Enkel hat sie auch! Und dann hat sie die Leukämie-Form mit der besten Prognose! Die Mischung aus Motzen und Heulen ist zwar bis zu einem gewissen Grad absolut nachvollziehbar in unserer Situation, aber es ist wahnsinnig anstrengend – auch für mich, wenn sie immer so eine „Schlechte Stimmung“ verbreitet… Gerade anfangs habe ich versucht, ihr gut zuzureden, aber ein bisschen Optimismus und Wille muss von ihrer Seite schon auch kommen. Ich kann (und will) nicht für uns beide kämpfen!
Gerade die letzten Tage, wo es mir selbst nicht so gut ging – plötzlicher Schüttelfrost mit Fieber, beides kam (und ging aber auch wieder) aus dem Nichts… Dann haben die letzten 3 Thrombozyten-Konserven nichts gebracht (vielleicht kam auch davon der Schüttelfrost und das Fieber?!) – die ersten 2 waren gestern vom selben Spender, heute Morgen war es eigentlich ein anderer – aber meine Thrombozyten sind jetzt bei 0…. Bin also gerade das „Rohe Ei“ – darf nicht mal alleine aufs Klo…
Und dann hör ich halt, wie meine Zimmernachbarin zu ihrem Mann sagt – „Ihr geht es so schlecht – das kommt auch noch alles auf mich zu“ und fängt an zu heulen… Und schafft es tatsächlich, mir damit ein schlechtes Gewissen/Gefühl zu machen, was mich gleichzeitig wahnsinnig wütend macht!!!

Ich versuche mir immer wieder vor Augen zu halten, dass wir hier im Krankenhaus sind und nicht im Urlaub – und ich froh sein kann „nur zu zweit“ im Zimmer zu sein. Sie könnte auch aggressiv sein, oder die ganze Zeit stöhnen vor Schmerzen – schlimmer geht immer! Und wie meine aktuelle Situation in einem anderen Land ohne Krankenversicherung (zB USA, Zimbabwe) wäre, will ich mir gar nicht ausmalen – wahrscheinlich hätte ich das schon nicht überlebt.

Aber eins ist sicher: alleine (oder mit meiner ersten Zimmernachbarin) war es leichter... (und ich glaube auch für sie ist es nicht unbedingt gut, mit mir im Zimmer zu sein, weil sie so schön vor Augen hat, was noch alles kommen kann – und sie wie gesagt immer nur alles Negative sieht...)
Jetzt versuche ich halt, mich so gut es geht für die noch kommende Zeit mit ihr zu arrangieren – und versuche, ihre negative Stimmung nicht an mich ran zu lassen.

Kommentare

  1. Hab mich gerade tatsächlich noch mit meiner Zimmernachbarin unterhalten, ich habe das Gefühl, sie bemüht sich. Hat sogar von selbst gesagt, dass sie eigentlich bisher ein gutes Leben hatte, so positiv war sie noch nie, seit wir ein Zimmer teilen. Beste Freundinnen werden wir sicher nicht, aber die gemeinsame Zeit kriegen wir auch noch rum!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Neue Posts auf Influcancer!

Die Zeit nach dem Chemotherapie Zyklus

Die Geschichte der Origami Kraniche