Der WhatsApp-Post zum Lebenslauf - Fast schon Erleichterung über die Diagnose AML
Zu meinem Lebenslauf und dass ich geschrieben habe, dass ich darauf auch stolz bin:
Tatsächlich hatte ich letztes Jahr im Sommer/Herbst das Gefühl, dass ich auf
dem Höhepunkt meines Lebens bin – alles lief so verdammt gut: Ich hab einen
tollen Mann, eine wunderbare, zuckersüße, gesunde Tochter, wir haben uns unser
kleines wunderschönes Eigenheim geschaffen, mit tollem Garten inklusive Sauna
und Hottub – auch der Gedanke, dass wir an Haus und Garten so viel selbst
gemacht haben, hat mich stolz gemacht. Ich war stolz, dass ich trotz
Schwangerschaft und dann als Mutter, nebenher meine Promotion sehr erfolgreich
abschließen konnte, und als ich dann noch den Deutscher Studienpreis der
Körber-Stiftung (2. Preis in der Sektion Natur- und Technikwissenschaften): für
meine Promotion für deren „exzellente Qualität und gesellschaftliche Relevanz“
bekommen habe, war das das Sahnehäubchen! Beruflich war ich dann ein bisschen
hin- und hergerissen, wie es weitergehen sollte: auf der einen Seite hatte ich
das Gefühl, dass ich jetzt auch nach der Auszeichnung mit dem Studienpreis
nicht „einfach“ wieder zurück in die öffentliche Apotheke gehen kann – auf der
anderen Seite war mir klar, dass ich wegen Familie, nicht 100% arbeiten und
auch nicht weit pendeln wollte……und dann wurde mir die für mich perfekte Lösung
einfach in den Schoß gelegt: Mein Doktorvater fragte mich, ob ich es mir
vorstellen kann, in Zukunft den Kurs „Pharmacy in Global Health“ der Uni Tübingen zu organisieren und
gemeinsam mit ihm zu Leiten – ehrlich gesagt hatte ich mir schon seit längerem
insgeheim erhofft, da involviert zu sein – Organisieren, Lehren, neue Ideen
einbringen und das zu einem absoluten Herzensthema von mir – das ist GENAU mein
Ding! Auch sonst hat mir mein Doktorvater immer wieder das Gefühl gegeben, dass
er meine Mitarbeit und meinen Input sehr schätzt, was mir sehr geholfen hat,
indem es mir das Gefühl gegeben hat, dass ich jetzt nicht einfach „nur“ noch
Mutter bin, sondern immer noch geschätzte Akademikerin. Danke! Gemeinsam
haben wir dann auch den Projektantrag für eine 4-Jährige Hochschulkooperation
zwischen den Pharmazeutischen Instituten der Uni Tübingen, Malawi und Ruanda
gestellt – vorgesehen war, dass ich dabei die Projektverantwortliche bin,
geplant waren Workshops, Konferenzen, Doktoranden/Studierenden-Austausche –
wieder genau mein Ding. Und das Beste: meine Hauptaufgabe wäre die Koordination
gewesen- das meiste hätte ich im Homeoffice machen können! Nebenher haben meine Kollegin mein Doktorvater und ich noch ein Buchkapitel zu Handel mit minderwertigen und
gefälschten Arzneimitteln für einen Sammelband geschrieben, herausgegeben von
der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) – eine Große Ehre! Ich war also auf
einem absoluten Höhenflug!
Daneben dann noch die Sache, dass wir von der Corona-Pandemie (im Vergleich zu
anderen) kaum Einschränkungen hatten, zum Teil sogar profitiert haben: Wir
waren in einem Abschnitt, wo uns die ganzen Einschränkungen kaum im Alltag beeinträchtigt
haben: Wir hatten beide sichere Jobs, die wunderbar im Homeoffice
funktionieren. Feiern, Weggehen – diese Phase hatten wir schon hinter uns,
Essen gehen und sonstige Besuche auf Veranstaltungen war eh nie richtig unser
Ding gewesen – im 1. Lockdown waren wir froh, dass die Baumärkte offen waren
und wir in Ruhe an unserem Haus und Garten rumwurschteln konnten. Ich hatte
alle meine Daten für meine Doktorarbeit und musste nur noch zusammenschreiben. Die
gemeinsame Zeit im Homeoffice (ich zu der Zeit schwanger mit meiner Tochter – eine
wirklich schöne, unkomplizierte Schwangerschaft!) haben wir nach den 3 Jahren
Wochenendbeziehung (weil ich unter der Woche für meine Promotion immer in
Tübingen gewesen war) in vollen Zügen genossen. Ich war froh, dass wir noch
nicht in der Phase mit älteren Kindern waren – der Spagat zwischen Arbeit im Homeoffice,
Homeschooling, die psychische Belastung für Kinder und Familie…..meinen größten
Respekt an alle, die das durchmachen mussten (und immer noch durchmachen!)
Kurzum: All das Glück, dass alles so absolut perfekt bei uns
gerade läuft – das hat mir plötzlich Angst gemacht! Wie kann das sein, dass es
uns so gut geht – da muss doch was kommen! Ich habe tatsächlich ein bisschen
darauf gewartet, dass irgendwas passiert. Und hatte Angst, was. Fast alle um
mich herum hatten irgendwie auch noch ein Päckchen zu tragen – nur ich
anscheinend nicht.
Insofern, so verrückt es auch klingt: ich bin fast ein bisschen erleichtert
über mein Diagnose AML!
Als könnte ich jetzt ein bisschen aufatmen!
Ich bin irgendwie „froh“, dass es AML ist, und das ich die habe (und das jetzt aber tatsächlich der Ausgleich
für all unser Glück ist – ich hoffe, das Universum/Gott/was auch immer sieht
das auch so).
Ich hatte irgendwie immer so Angst, dass irgendwas mit meiner Tochter oder meinem Mann passiert…..
Ich nehme dieses Päckchen also gerne an und bin mir durchaus
bewusst, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können und ich absolut
privilegiert bin, diese Krankheit hier in Deutschland, im Diak, zu einer Zeit,
wo es so viele Behandlungsmöglichkeiten gibt (mit immer besseren Prognosen) bekämpfen
zu dürfen – ich fühle mich hier in den Besten Händen!
- · Was wäre gewesen, wenn ich nicht in Deutschland mit unserem Krankenversicherungssystem, wäre? In Zimbabwe hätte man mir wahrscheinlich nicht mal eine Infusion gegeben, wenn ich die nicht im Voraus bezahlt hätte!
- · Was wäre gewesen, wenn ich diese Krankheit vor 10-20 Jahren bekommen hätte? In dieser Zeit hat sich so wahnsinnig viel getan, um die Behandlung zu verbessern (wirksamer, weniger Nebenwirkungen, bessere Heilungsaussichten…) Als ich zum ersten Mal die Diagnose gehört habe hatte ich erstmal so Angst vor dem was kommt – Schmerzen, Übelkeit…… Ich bin unendlich dankbar für die Forschung - bisher vertrage ich die Chemotherapie wirklich sehr gut!
- · Was wäre gewesen, wenn ich diese Krankheit in 2 Jahren bekommen hätte? Dann hätte meine Tochter das voll mitbekommen – es ist mir so ein Trost, zu wissen, dass sie aktuell in einem Alter ist, wo sie sich später wohl kaum an diese Zeit erinnern wird.
- · Was wäre gewesen, wenn wir nicht so einen absolut tollen Familien- und Freundeskreis hätten? Das wissen, dass sich gerade so viele Leute um meine Liebsten kümmern hilft!
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